Anonymität im Netz: Tor und Tor Browser

"Nutzt Tor," schlug Edward Snowden einst FBI-Mitarbeitern auf Twitter vor, um damit ihre privaten Konversationen vor ihrem Arbeitgeber zu verbergen. Snowden muss wissen, wovon er spricht: Für seine Offenlegung der Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes sitzt der Whistleblower seit Jahren im Exil. Datenschutz-Aktivisten fordern den Friedensnobelpreis für seine Enthüllungen - Gegner sogar die Todesstrafe.
Über Leben und Tod kann Tor für Journalisten oder Regimekritiker entscheiden, die damit ihre Nachrichten in autoritären Staaten verschlüsseln. Doch auch für viele andere Menschen, denen Datenschutz und Privatsphäre wichtig sind, empfiehlt es sich, zumindest über die verschiedenen Optionen der Anonymisierung im Netz bescheid zu wissen. Und kaum ein Programm anonymisiert so effektiv wie Tor.
Was ist Tor?

Tor, kurz für "The Onion Router", wurde ursprünglich für die US-Navy entwickelt, um deren Kommunikationen geheim zu halten. Es handelt sich um ein Programm, das Ihre Kommunikation im Internet anonymisiert, indem es Ihren Datenverkehr durch ein Netzwerk von Knotenpunkten, sogenannten Tor-Relais, lenkt.
Stellen Sie sich vor, Sie möchten jemandem einen Brief senden. Sie schreiben Ihre Botschaft und die Adresse auf den Briefumschlag, doch statt ihn direkt in die Post zu geben, stecken Sie ihn in eine abschließbare Dokumentenbox, für die nur eine Person den Schlüssel hat. Diese Box wiederum stecken Sie in eine größere Box, für die eine andere Person den einzigen Schlüssel hat. Diesen Vorgang wiederholen Sie mehrere Male. Ihr Brief und seine Botschaft ist nun nach dem Prinzip der asymmetrischen Verschlüsselung durch mehrere Ebenen geschützt - wie durch Schichten einer Zwiebel.
So ungefähr beschützt Tor Ihre Kommunikation im Netz.
Der Begriff "Tor" wird für verschiedene Komponenten desselben Systems verwendet, was für Verwirrung sorgen kann. Dabei ist es eigentlich ganz einfach:
Tor ist der Name des Programms an sich.
Das Tor Network beschreibt das Netzwerk von Tor-Relais, das von Freiwilligen auf der ganzen Welt betrieben wird.
Der Tor Browser ist im Prinzip eine auf maximalen Datenschutz vorkonfigurierte Version von Mozilla Firefox.
Der Browser ist die bekannteste Tor-Komponente, und in der Regel ist von diesem die Rede, wenn Menschen über Tor sprechen.
Unterschied zwischen Tor und VPN
Tor ist nicht die einzige Methode, Datenverkehr im Netz anonym zu halten. Vielleicht denken Sie bereits an ein anderes Akronym mit drei Buchstaben: VPN (Virtual Private Network).
Ein VPN leitet Ihren Datenverkehr über verschlüsselte Server von Drittanbietern um und schützt so Ihre Privatsphäre. Anders als Tor, das mit einem großen Netzwerk operiert und Datenverkehr durch mehrere Schichten verschlüsselt, handelt es sich bei jedem VPN um ein Einzel-Unternehmen, dem Sie vertrauen müssen.
Weil es zahlreiche VPN-Anbieter gibt, gestaltet sich ein direkter Vergleich der beiden Anonymisierungs-Methoden schwierig. Dennoch gibt es ein paar allgemeine Unterschiede, die Sie für Ihre Entscheidung berücksichtigen sollten.
Vor- und Nachteile von Tor:
kostenlos und werbefrei
nahezu unabschaltbar, da es von einem großen Netzwerk von Freiwilligen betrieben wird
verschlüsselt effektiv Ihre IP Adresse vor den Webseiten, die Sie besuchen
angelehnt an Firefox und einfach zu bedienen
aufgrund der Schicht-Struktur langsamer als VPNs
Schwachpunkte bei der Verschlüsselung existieren (z.B. am Ausgangsknoten)
schon die Nutzung könnte Skepsis der Regierung hervorrufen
für alle Aktivitäten im Netz auf Tor Browser angewiesen
Vor- und Nachteile von VPNs:
schneller als Tor
effiziente Verschlüsselung
nicht Browser-abhängig
meist kostenpflichtig, andernfalls mit Werbung finanziert
VPN-Anbieter können Protokolle speichern und beispielsweise an Regierungsbehörden weitergeben
jeder VPN-Anbieter ist anders, anders als bei Tor vertrauen Sie einer einzigen Entität
Tor oder VPN?
Kein VPN-Anbieter ist gleich und ein allgemeines Urteil lässt sich nur schwer fällen. Trends gibt es dennoch:
Für ultrasensible Kommunikationen - beispielsweise für Journalisten, Whistleblower oder Regimekritiker - kann Tor den entscheidenden Vorteil bieten, für den generellen Datenschutz ist ein VPN meist ausreichend. Sie sollten sich jedoch genau informieren, welchem Unternehmen Sie in dieser Sache vertrauen. Hier haben wir eine Reihe von Anbietern für Sie zusammengestellt.
Natürlich können Sie Tor und VPNs auch kombinieren. Dies kann die Sicherheit noch maximieren - birgt aber neue Herausforderungen.
Tor ist nicht der einzige Browser, der auf Datenschutz und Sicherheit setzt. Über das umfassende "Onion Routing"-Netzwerk von Tor verfügt keiner der Konkurrenten, ein Blick auf unseren großen Privacy Browser-Vergleich lohnt sich dennoch.
Wie benutze ich den Tor Browser?
Wenn Sie beschlossen haben, Ihren Datenverkehr mit dem Tor Browser zu schützen, können Sie das Programm auf der Webseite von Tor Project herunterladen. Es ist für Windows, MacOS und GNU/Linux in 25 Sprachen verfügbar.
1. Wählen Sie einen Zielordner, in dem Sie die Tor-Dateien speichern möchten, und installieren Sie das Programm wie jedes andere auch.

2. Öffnen Sie das eben installierte Programm. Wenn Sie weitere Einstellungen vornehmen möchten, beispielsweise weil Sie Tor mit einem Proxy-Server verwenden, klicken Sie auf "Konfigurieren". In der Regel genügt jedoch ein Klick auf "Verbinden" - und schon erhalten Sie Zugriff zum Netzwerk von Tor.

3. Beim Start von Tor müssen Sie sich eine Weile gedulden, bis der Browser eine Verbindung zum Netzwerk aufgebaut hat. Beim allerersten Start kann es sogar einige Minuten dauern. Doch wenn die Verbindung erst steht, öffnet sich der Browser schnell.

4. Und schon sind Sie online mit Tor. Weil der Browser auf Mozillas Firefox basiert, ist die Bedienung relativ unkompliziert.

5. In den Sicherheitseinstellungen können Sie die für Sie richtige Balance zwischen Datenschutz und Funktionalität finden. Voreingestellt ist der Tor Browser auf die niedrigste der drei Sicherheitsstufen (was aber im Vergleich zu herkömmlichen Browsern immer noch hohen Schutz verspricht). Höhere Stufen beeinträchtigen beispielsweise JavaScript und HTML5-Medien.

Fazit: Tor - mehr als ein Browser
Tor ist Programm, Netzwerk und Browser in einem. Doch auch darüber hinaus ist Tor mehr als die Summe seiner Teile: Wer überhaupt den Schritt gewagt hat, sich näher über Tor zu informieren, macht sich aus dem einen oder anderen Grund Gedanken zum Datenschutz und dem eigenen Verhalten im Netz.
Tor ist eine wirkungsvolle Methode, sich die eigene Anonymität zurückzuerobern - wenn auch nicht unbedingt die praktischste, wie der Vergleich mit VPNs gezeigt hat. Es gibt also auch andere Methoden, sich im Netz anonym zu bewegen.
Edward Snowdens Aufruf, Tor zu nutzen, sollte aber vor allem bei denjenigen, die besonders sensible Informationen kommunizieren müssen, nicht auf taube Ohren stoßen.
